17 | All’Acqua – Cna Basodino

Steinböcke am Cristallinapass

Wir überzeugen die Chefin, dass ein Morgenessen um sieben kein Delikt ist und geniessen es um uns für die lange Etappe zu stärken. Heute stehen 20km und 1300hm auf dem Programm, der Weg führt uns anfänglich durch die dicht bewaldete Talflanke an einigen Alpen vorbei. An der Tür einer Holzhütte hängt ein BH, ob es sich um das Freudehaus Vom Val Bedretto will ich gar nicht ausfinden.

Noch auf dem Weg organisiert Dani, meine neue Wegbegleiterin, eine Übernachtung für Mittwoch beim Rustico einer Tante in Sonogno, im oberen Val Verzasca. Sie koordiniert auch die Logistik mit Alessandro und Corrado, sodass ein Risotto schon fast auf sicher ist.

Die Alp Cristallina ist nach zwei Stunden ein guter Ort für eine Pause. Da zaubert Dani eine Rüeblitorte aus dem Rucksack, purer Luxus auf meinem Weg. Gestärkt nehmen wir die nächsten Höhenmeter unter die Füssen und tauschen uns aus über die am Wegesrandes auftretende Alpenflora.

Romano, ein wandernder Walliser, kommt uns entgegen. Er ist vor einigen Tagen aus dem Binntal gestartet, ist zuerst nach Italien und jetzt auf dem Rückweg. Er ist begeistert vom Alleinwandern, Meditation tagsüber und Austausch am Abend in der Hütte. Gleichgesinnte unterwegs?

Die riesige Cristallina-Hütte taucht am Horizont auf genau richtig zu Mittagszeit. Der Hüttengehilfe ist flink und verkauft uns eine Suppe und ein Lachsfilet (auf 2500m !?). Hier ist wie auf einem Ryanair-Flug, bei jeder Gelegenheit wird versucht etwas zu verkaufen. Ein Stück Kuchen, ein Bier, etwas Wassermelone oder … ein T-Shirt mit passendem Stirnband ist gerade auf Promotion.

Wir steigen ohne neuen T-Shirt Richtung Basodino-Hütte runter, vorbei am Lago Sfundau, ein Stausee ohne Staumauer. Auf einem herausragender Felshorn, machen wir uns, unter strenger Beobachtung von drei Steinböcken, wieder hinter Danis Kuchen. Unser Blick öffnet sich auf dem Basodino Gletscher und mehreren gestauten Seen der örtlichen Kraftwerbetriebe. Auch hier wie im Berner Oberland ist diese Art der Stromproduktion mit Staumauern, Seilbahnen und Hochspannungsleitung omnipräsent.

Mehrere Markierungen weisen auf unsere Hütte hin, die Gehzeiten sind aber etwas inkongruent, auf jedem Fall war die “Marketingabteilung” mit dem Farbpinsel rege aktiv. Wir verzichten trotz “Reifenwechsel” von Dani auf die geteerte Strasse und schlagen den Wanderweg ein. Dieser führt uns an einer steile Flanke und genau da unten taucht endlich nach über acht Stunden unsere Hütte, direkt unter der Seilbahn von Robiei.

Wir richten uns unter mystischer Musikbegleitung aus der Stereoanlage im Zweierzimmer ein und freuen uns auf die Polenta e costine.

Meine Etappe:

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16 | Ulrichen – All’Acqua

Steinadler und starke PS

Ich verlasse meine Unterkunft in Ulrichen und laufe dem alten militärischen Flugplatz entlang Richtung Nufenen. Der Weg, welcher das wilde Ägenatal hinaufsteigt, ist breit und zum Teil gepflastert. Sonst ist meine Wanderung eher langweilig, da ich immer in unmittelbarer Nähe der Passstrasse laufe.

Omnipräsent sind die hohen Masten der Hochspannungsleitungen, Hauptachsen zwischen dem Wallis und Italien. Eine kleine Hängebrücke führt mich auf die andere Talseite, wo noch etliche Lawinenkegel in den Seitentäler liegen. Hier pfeifen die Murmeltiere nicht mehr, wenn ich in die Gegend komme, sie rennen einfach weg. Vielleicht hat sich rumgesprochen, dass ich ungefährlich bin.

Der Weg schmückt sich mit Blumen (Alpendost), im Hintergrund drehen vier grosse Windräder auf der Krete am Horizont. Ich erreiche Ladstafel mit seiner schönen mittelalterlichen Brücke, ab da muss ich wegen Felssturzgefahr auf der Passstrasse weiter. Am heutigen Sonntag lassen die Töff- und Sportwagenfahrer ihre Boliden hinauf dröhnen, was lediglich für sie ein Spass ist.

Nach vier Stunden bin ich auf der Wasserscheide und gleichzeitig Sprachgrenze. Ich lasse mich auf einem Stein nieder und ruhe mich aus. Im Blickfeld tauchen plötzlich zwei Steinadler oben am Berg. Sie drehen ihre Erkundungsrunden und ich schaue das Spektakel mit dem Feldstecher an.

Die Val Bedretto liegt an meinen Füssen und bald habe ich die Quelle des Flusses Ticino erreicht, wo ich mein Mittagessen beim Gedenkstein einnehme. Meine vierte Quelle, nach Rhein, Reuss und Rhone habe ich den Poker geschafft.

Mein km-Zähler zeigt bereits über 18 an und meine Beine spüren jeden Einzelnen, Zeit anzukommen! Im Albergo all‘Acqua niste ich mich ein und geniesse bei Kaffee und Kuchen die beiden süditalienischen Kellner, bei ihrem vermutlich ersten Arbeitstag, über Menü und Preise diskutieren.

Heute erreichen mich zum Nachtessen Corrado und Daniela, sie wird mich dann für einige Tage begleiten. Ich freue mich auf etwas Abwechslung.

Meine Etappe:

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15 | Lax – Mühlebach

Alternative gefragt

Alternativprogramm ist heute angesagt, weil man uns die Überquerung nach Belalp heute bei Gewitterprognosen sichtlich nicht empfiehlt.

Als ich gestern schon schlief, hat Ale einen interessanten Suonen-Weg in den Faltprospekten dieser Ferienregion ausfindig gemacht. Nun gilt es diese Variante ins Detail zu studieren. Wir nehmen uns Zeit während draussen die Wolken immer dunkler werden.

Wir steigen mit der Seilbahn wieder ins Tal und verschieben uns bis Lax. Da soll unsere Entdeckungsreise zum Thema Suonen starten. Die Trusera Wasserfuhre (Suone) stammt aus dem Mittelalter und diente damals, wie viele ähnliche Konstruktionen, der Bewässerung von Trockenregionen durch Herbeiführen von Wasser aus den steil herabstürzenden Bäche via horizontale Kanäle an den Talhängen.

Unser Weg fängt zuerst steil an, um die nötige Höhe bei Wasen zu erreichen. Hier startet der Wanderweg entlang der Trusera-Suone. Diese wurde vor 15 Jahren, nach langer Zeit durch einem Gemeinschafstprojekt zu Demonstrationszwecke restauriert und wieder in Betrieb genommen. Eine Gruppe von Freiwilligen setzt sich für den Unterhalt und den Betrieb ein.

Sander hiessen die Arbeiter, die für die Entsandung und den einwandfreien Betrieb dieser Kanälen zuständig waren. Eine solche freiwillige „Sanderin“ treffen wir in Aktion, sie erklärt uns die Probleme, besonders bei unterirdischen Passagen und freut sich an der rege Begehung dieser Wegstrecke. Der Hang ist oberhalb und unterhalb uns sehr steil, der gemütliche Weg folgt aber den Wasserverlauf mit einer kaum wahrnehmbare Steigung.

Bei Mühlebach, das kleine Haufendorf mit dem ältesten Dorfkern der Schweiz in Holzbauweise, endet unser Sounen-Trek und wir überqueren die Rotten (Rhone) auf einer Hängebrücke in beeindruckender und schwindelerregender Höhe.

Hier trennen sich unsere Wege wieder, Ale kehrt mit dem Zug nach Hause und ich werde morgen von Ulrichen den Nufenenpass in Angriff nehmen.

Grauer Tag mit gelungenem Alternativprogramm.

Meine Etappe:

14 | Märjelensee – Riederalp

Ein grosser Tag beim Grossen Gletscher

Ich halte es im Bett nicht mehr aus, ich muss wissen wie das Wetter ist. Bald ist aber für alle Tagwache, weil eine Riesenherde Schafen durchzieht und unsere Hütte mit grossem Gebimmel und lauten „Beeeh“ einnimmt

Ale kann es nich abwarten loszuziehen an diesem herrlichen Tag, so machen wir uns nach dem lauten Morgenessen zügig auf dem Weg. Bald stehen wir am Rande dieses riesigen Naturspektakels. Die Firne des Aletsches, der Jungfrau und des Ewigschneefeldes vereinen sich beim Konkordiaplatz und fliessen gemeinsam zum Grossen Aletschgletscher 23km ins Tal.

Wir kommen nicht aus dem Staunen, Nachdenken, Danken aus, und aber auch aus dem Photoschiessen in allen erdenklichen Variationen.

Der Gletscherschwund ist gut sichtbar, die Vegetationsgrenze weit oben an den Talseiten zeigt wie gross mal die Gletscherzunge war. Gesperrten Gebiete zeugen von dem fehlenden Gegendruck im Talinnern, weil die Eismasse ständig zurückgeht. Trotzdem ist der Gletscher beim Konkordiaplatz noch 1000 Meter dick.

Zu dieser frühen Morgenstunden ist noch niemand unterwegs. Wenige Meter unter uns zieht eine Gruppe von Hirschkühen in der gleichen Richtung wie wir. In dieser Felsen- und Gletscherlandschaft hätte ich eher Steinwild erwartet. Wir schauen begeistert zu, aber sobald sie uns entdecken sind sie schnell weg.

Wegen Steinschlag müssen wir einen höheren Weg einschlagen, was das grandiose Spektakel nochmals toppt. Wir nehmen unser Mittagessen mit dem Riesengletscher an den Füssen und der stahlblaue Himmel über dem Kopf.

Wir lassen ungern diese Erlebnisse hinter uns und biegen weg Richtung Riederfurka um dann ins Dorf Riederalp anzukommen. Ein grosser Tag beim Europas grössten Gletscher und dies in bester Begleitung. Was will man mehr!

Meine Etappe:

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