05 | Innertkirchen – Triftütte

Face to face mit dem Gletscher

Schwindelfreiheit, Trittsicherheit, schönes Wetter und eine gute Kondition sind absolute Bedingungen für den heutigen Tag. Zum Glück kann ich über alle vier Elemente verfügen und ich ziehe los Richtung Trifthütte (2520m). Ich verlasse Innertkirchen und steige mit der Triftbahn die ersten 400m hoch. Die Stimmung ist mystisch, Nebelschwaden ziehen hoch und hüllen den verwachsenen Weg ein als wäre man im Regenwald. Unten in der Kluft rauscht der Bach und lässt feuchte Wolken hochsteigen als wäre der Teufel persönlich am Fauchen.

Als sich die Wolken verziehen, erscheint plötzlich die grosse Hängebrücke, die Triftbrücke. Leicht und schwungvoll verbindet sie heute die Talseiten, eindrückliches Gefühl darüber zu laufen. Die Talüberquerung fand früher über der Gletscherzunge statt, welche heute weit hinter dem Triftsee auf mich runterschaut.

Jetzt gilt es ernst, Konzentration ist gefragt auf diesem blauweissen Weg. Mal eine Leiter, mal ein Seil oder eine Kette, mal eine rutschige Passage. Ich erkundige mich bei entgegenkommenden Wanderern über den Wegzustand und alle versichern mir, dass der Weg gut machbar ist. Nach jedem Rank kommen die mächtigen Seracks vom Triftgletschers näher. Emotionen pur, Gänsehaut inbegriffen. Mein Mittagessen nehme ich face to face mit dem Gletscher ein.

Ein Welcome-Tee inklusive Herzguetzli steht bei meiner Ankunft in der Hütte bereit. Die Hütte steht herrlich neben dem Triftgletscher und bietet eine fantastische Aussicht. Turi und seine ganze Familie zeigen mir mein Zimmer, danach gilt es das Glück geniessen, hier sein zu dürfen.

Meine Etappe:

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04 | Cna Rotondo – Furkapass

Zur Rhone-Quelle

Auch diese Nacht war ruhig, ich stehe auf als die Bergsteigergruppe gerade loszieht. Die beiden Steinböcke von gestern Abend waren heute Morgen auch noch auf Besuch, ich habe sie aber verpasst.

Ich verabschiede mich von meinen Hüttenkumpanen und fädle mit etwas Mühe meinen Weg Richtung Furkapass ein. Auf der Krete ist die Markierung dann wieder eindeutig und ich komme gut voran. Ich halte kurz an, um ein Bedürfnis los zu werden und als ich mich wieder umkehre steht nicht weit weg ein Duzend Hirsche. Ich gehe in die Hocke und beobachte sie. Sie sind nervös, haben etwas gespürt, warum pfeifen die Murmeltiere und laufen so hektisch rum, scheinen sich zu fragen. Als sie mich erspähen, springen sie schnell hinter einer Moräne und rüber zur andere Talseite.

Von meinem Standort aus sehe ich das Hochplateau und den Übergangsattel wo ich hinmuss, es ist aber noch ein langer Weg, Tal einwärts, Fluss überqueren und dann die andere Talflanke hoch.
Zum Mittagessen halte ich auf dem Sattel auf 2732m an, auf der anderen Seite sieht man schon das Etappenziel, den Furkapass.

Dank den Schneefelder bin ich schnell beim Pass und somit entscheide ich mich weiter nach Gletch zu laufen. Die Alpenflora blüht hier wieder prächtig, ich umgehe eine glotzende und komisch gehörnte Schafherde bis zur Zwischenstation der historischen Furka-Dampfbahn. Wie bestellt fährt diese Spielzeugbahn dampfend an mich vorbei und lässt sich samt winkenden Touristen ablichten.

Rechts oben tobt die junge Rhone runter, meine dritte Quelle, der Gedenkstein ist aber oben beim Belvedere, ausserhalb meiner Reichweite.

In Gletch geht eine weitere intensive Etappe zu Ende. Ich lege die Beine hoch, geniesse ein Stück Kuchen, organisiere die nächsten Übernachtungen und schaue dem lustigen Treiben um die Dampfloki an.

Meine Etappe:

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03 | Passo del Gottardo – Cna Rotondo

Beissende Schafe

Lange habe ich überlegt ob ich heute die lange oder die kurze Variante wählen soll. Nach den letzten beiden Trainingseinheiten (5 Std.) sollte ich doch für eine 8-Std-Tour fit sein. Das schafft doch auch der Jörg und er ist ja schon 40 (😜).

Ich gehe früh los, der Gotthardpass ist sooo ruhig, kaum wieder zu erkennen. Nur vereinzelte schläfrige Gesichter schauen aus den parkierten Camper nach dem Wetter.

Einzig die Bergpieper begleiten mich entlang dem Lucendrosee, hoch oben grasen die Schafe, aber da muss ich ja nicht hin. Ich steige bei der Alp Lucendro ins Tal hoch stetig auf der Suche nach der Reussquelle. Zum Glück verläuft der Weg im Schatten, so komme ich zügig voran. Kurz unterhalb des Passes liegt ein halbvereister See und daneben den ersehnten Markierstein. Ob das Wasser wirklich bei Luzern vorbeifliesst, wage ich zu bezweifeln, der grossen Lucendro Staumauer nach.

Nach der Passüberquerung rutsche ich auf den Schneefeldern runter und plötzlich stehe ich mitten in den Alpenrosenheinen. Querfeldein steige ich zum Militärsträsschen runter und ruhe mich aus. Vor mir strecken sich der Cristallina und der Basodino in den Himmel, da komme ich in 10 Tage auf dem Rückweg vorbei.

Plötzlich steht ein Signal vor mir „Achtung beissende Schafen“, hoppla, da gilt‘s aufzupassen. Der Weg zum Cavannapass steigt schnurgerade 700m hoch, also den kleinsten Gang rein und weiter. Meine Aufmerksamkeit gilt ganz den beissenden Schafen und fast übersehe ich eine Kreuzotter auf dem Wanderweg. Kurze Fotosession und dann sind wir beide froh, dass sich unsere Wege trennen.

Mit den beissenden Schafen und den kriechenden Wildtieren im Kopf suche ich mir ein ideales Plätzchen für das Mittagessen. Schatten kann ich hier vergessen, etwas Abkühlung finde ich aber mit einem Fussbad im eiskalten Schneewasser.

Das letzte Stuck hoch zum Pass ist happig, aber mit neuer Energie im Bauch kommt‘s gut. Steine überall, Steine die aber fachmännisch gelegt wurden, um bei der Steigung zu helfen. Jetzt ist die Rotondohütte in Sicht, aber sie ist noch ganz klein im Bild. Über Schneefelder und Tausenden von Steintritten sinkt die Höhenangabe auf meinem Victorinox. Die gegenüberliegende Steigung zur Hütte fordert mich nochmal aus, aber nach knapp sieben Stunden komme ich todmüde an.

Die Rotondohütte liegt schön vor den Lekihörner, rundum ist noch sehr viel Schnee, aber wenig Gäste sind angemeldet, darum bekomme ich ein Zimmerchen ganz für mich. Pünktlich um 18:00 Uhr pfeift Pia die Hüttenwärtin alle zusammen auf der Terasse zum Apéro mit Weisswein und Crostini. Der Rest des Abends verläuft gesellig beim Nachtessen.

Diese Runde war taff, bin froh, dass morgen „nur 5 Stunden“ auf dem Programm stehen (😜).

Meine Etappe:

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02 | Cna Vermigel – Passo del Gottardo

Militarisierte Zone

Das Wetter macht mit, ein stahlblauer Himmel präsentiert sich wenn ich aus dem Fenster schaue. Die Nacht war erstaunlich ruhig, somit steige ich ausgeruht aus dem Schlafsack.

Gestärkt vom ausgiebigen Morgenessen nehme ich die 700 Höhenmeter in Angriff, die mich zum Passo Sella führen. Der Weg verläuft durch das Hochalpine meist auf Steine, manchmal passiere ich grössere Schneefelder, die aber gut von Vorgängern gespurt sind.

Beim Passo Sella steht eine alte Militärfestung, Teil dieser vollmilitarisierten Gegend. Ich steige kurz noch zum Giübin hoch auf 2776m, da öffnet sich das ganze Tessin unter meinen Füssen. Ich halte Ausschau nach Wildtieren, aber ich sehe nur zwei Alpendolen, die mit dem Wind spielen und einige verdächtige aber zu statische braune Flecken in der Ferne.

Unzählige Militärposten passiere ich noch bis der Lago Sella auftaucht. Da kommen Erinnerungen auf als ich, in graugrün vor über 30 Jahren, unter strömenden Regen hier oben ein zu lange gekochter Risotto aus der Gamelle ass, welcher sich langsam aber stetig zu einer kalten Reissuppe verwandelte.

Der Weg von der Staumauer zum Gotthardpass ist langweilig und dazu auch noch geteert. Zum Glück zieren viele blühende Pflanzen und Blumen den Strassenrand. Sträucher von Alpenrosen, ginestrelle, ranuncoli, erba iva (Deutsch ??), Veilchen, Vergissmeinnicht und andere, dessen Namen ich immer wieder vergesse (😜), begleiten mich zum Pass, mit seinem sonntäglichen Treiben aus Töff, Autos, Marktstände und Country-Band.

Heute hab ich ein Einzelzimmer mit Etagendusche, Luxus pur. Mal schauen ob sich da besser schläft als in der SAC-Hütte.

Meine Etappe:

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