08 | Grindelwald – Mürren

Beste Zwischenzeit

Ob es der vom Chef höchst persönlich offerierten Grappino war oder der grosse Doppelbett war, auf jedem Fall habe ich sehr gut geschlafen.

Morgens weckt mich der Lärm der rumfliegenden Helikoptern, die den Trailrunnern nachfliegen. Die 101km-Teilnehmer sind schon um vier Uhr losgerannt. Weitere Gruppen laufen um sieben unter meinem Fenster durch.

Heute morgen kommt ein neuer unbekannter aber nicht ganz unerwarteter Aspekt meines Abenteuers hinzu: Regen! Während den 1000 Höhenmeter zur Kleine Scheidegg werde ich von einem insistierenden Nieselregen begleitet. Die Hoffnung auf schönes Wetter bleibt aber bestehen, der Himmel ist ob meinem Zwischenziel noch blau.

Die Steigung ist hart, man könnte meinen, dass sie hier keine Zigzag-Wege kennen. Normalerweise liebe ich solche Wege, da man schnell an Höhe gewinnt, aber nicht wenn sie asphaltiert sind. Der eintönige Aufstieg wird immer wieder von der Tropfenmusik auf den Ahornblätter und von der vorbeifahrenden Wengneralpbahn und Dutzende internationalen winkenden Händen unterbrochenen. Sicherlich fragen sie sich, warum jemand im Regen hoch läuft, wenn eine gemütliche Bahn hochfährt.

Ich komme gut voran und auf der Kleine Scheidegg scheint die Sonne wieder. Die ersten Athleten der 35km-Gruppe springen hier vorbei um nach Grindelwald wieder zurück zu kehren. Eine Wanderung hierher kann mit einer Auslandreise verglichen werden. Die Wenigsten sehen europäisch aus, ich fühle mich wie in Indien, China oder einfach in den Staaten. Kein Wunder, ist hier doch die Drehscheibe der wichtigste Attraktion Europas.

Ich entscheide mich für ein Experiment, normalerweise laufe ich nicht gerne auf den Skipisten, da sie meist ausgeebnet und voller Schneekanonenstellungen sind. Aber hier geht’s um die Lauberhornabfahrt. Ein Panoramaweg führt mich, begleitet von Eiger, Mönch und Jungfrau, zur weltberühmten Piste. Russi-Sprung, Hundschopf, Minschkannte, Kernen S, Haneggschuss, usw., alles Begriffe die seit meiner Kindheit im Kopf eingebrannt sind. Beim Hundschopf komme ich nicht aus dem Staunen, die Rennfahrer springen da ins Bodenlose. Da wo sie springen, geht mein Wanderweg zigzag-artig runter. Ein Foto in Sprungpose ist hier ein Muss, ich höre schon im Hintergrund Matthias Hüppi schreien „…. beste Zwischenzeit … “!

Weiter unten treffe ich zwei bergliebenden Touristen aus Rom mit denen ich mich etwas austausche. Offenbar war ich nicht der einzige, der ein Bild vom Hundschopf wollte, offenbart mich die Frau während er sich etwas schämte.

In Wengen angekommen, verfolge ich das Vorbeilaufen der Trailrunner durchs belebte Dorf. Sie haben da 60km in die Beinen und ein Marathon vor sich. Nach dem Verpflegungsposten geht’s dann 1000 hm zum Männlichen hoch, Respekt!

Meine Reise geht gemütlich mit dem Zug weiter, nein, weiter nach Lauterbrunnen tue ich es meinen Knien nicht an, da es praktisch senkrecht runter geht. Auf die andere Talseite geht’s dann 800 Meter wieder hoch, mit der Seilbahn wohl bemerkt. Eine kleine Spielzeugbahn führt mich anschliessend auf dieser Sonnenterrasse nach Mürren. Somit habe ich meine morgige Etappe etwas zweckoptimiert.

Mein Tag endet so wie er angefangen hat mit Regen, er hat mir aber eine wunderschöne Wanderung geschenkt.

Meine Etappe:

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