10 | Gspaltenhornhütte – Kandersteg

Eine Perle in den Felsen

„Morgenstund hat gold im Mund“, so starte ich heute etwas früher auch weil die Prognosen Nachmittagsgewitter angeben. Ich folge die steile Moräne und nach einer Stunde überquere das was die Gletscherzunge mal war. Es liegt nur Schutt um, an wenigen Stellen sieht man noch einigen Eisresten von das was einst ein mächtiger Gletscher war.

Nebst den familiären Murmeli fragen sich die weidenden Schafe warum jemand schon so früh stört. Ich schau mich um, um den Schutzhund auszumachen, muss mich aber mit dem Schafbock einigen, was seinen Damen-Entourage anbelangt. Ich mach sicherheitshalber einen grossen Bogen, damit keine Missverständnisse entstehen.

Das Leben ist ein ständiges rauf und runter, so auch mein Weg. Bin gerade 600m über Gletscherschutt abgestiegen und stehe nun vor einem scheinbar unendlichen Zigzag-Weg, der mich nach über 800m zum Hohtürli bzw. Blüemlisalphütte führen soll. Ich denke an Marc und gehe es Step by Step an, jedes kleines Schrittchen lässt mich 20-30cm an Höhe gewinnen. Auf der nahe Talflanke über dem Bach folgt mir mein Schatten im gleichen langsamen Rhythmus.

Knapp zwei Stunden später erreiche ich mit glühenden Oberschenkel die Schlüsselstelle knapp unter dem Übertritt. Da haben fleissige Hände Holztritte, Stangen und Seile fixiert, damit der Aufstieg erleichtert wird. Plötzlich lösen sich im Couloir Steine und donnern zu Tal, auf meinem Weg bin ich auf der sicheren Seite, gute Wahl der Wegbauern. Zwei Steinböcke haben bei einem kurzen Kampfspiel etwas Material losgehen lassen, so schnell kann es gehen.

Auf einer bereitgestellte Holzbank warte ich bis entgegenkommenden Wanderer vorbei sind und schaue die beiden bei ihrem Spiel an. Wenige hundert Meter über dem Übergang thront die grosse Blümlisalphütte. Zeit für Kaffee und Kuchen inkl. spektakulären Panorama der Gletscherlandschaft und Erholung der strapazierten Oberschenkel.

Die Hütte steht auf 2834m mein Tagesziel auf 1174m, meine Knien machen sich selbstständig und entscheiden da zu bleiben. Nach etwas Überzeugungsarbeit kommen die Beiden doch mit, und wir treten gemeinsam den Abstieg. Ich dämpfe die Schritte mit den Wanderstöcke, bin aber eigentlich zu beschäftigt, mich durch die umliegenden weissen Bergspitzen beeindrucken zu lassen, sodass ich die Belastung gar nicht merke.

Unter der nächsten Felsstufe erscheint auf einmal das türkisblaue Öschinensee. Der weg verläuft etwa 300m über dem Seespiegel an der steilen Flanke und gibt die volle Aussicht preis. An idealer Position taucht plötzlich ein Holzbänkli, passt perfekt zum Mittagessen.

Im Wartezimmer eines der im letzten Jahr besuchten Ärzten, fand ich ein Bild des Öschinensee und entschied es sehen zu wollen. Nun bin ich dankend da! Ich geniesse jede Minute zwischen diesen verschneiten Bergspitzen und der in den Felsen und den sattgrünen Flanken eingelegten See.

Den letzten Stück nach Kandersteg nehme ich die Gondelbahn zur Freude meiner jubelnden Kumpeln. Im etwas in die Zeit gekommenen Kandersteg niste ich mich in einem kleinen Zimmer eines knirschenden Holzhauses ein.

Zum Glück entscheid ich mich auf der Sefinafurgga für diese Variante, sonst hätte ich diesen spektakulären Tag verpasst

Meine Etappe:

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